21.03.2017, 4390 Zeichen
Warum die längst fällige Differenzierung zwischen allem, was sich so unter dem Begriff „Wirtschaft“ tummelt die notwendige Voraussetzung dafür ist, dass bei diesem Match die Richtigen gewinnen
In so vielen Bereichen hat die aufgeklärte westliche Gesellschaft gelernt zu differenzieren statt zu verallgemeinern: Wir verurteilen nicht alle Asylwerber als Verbrecher und Vergewaltiger, sondern unterscheiden zwischen schutzbedürftigen Integrationswilligen und unbelehrbaren Straftätern. Wir bezeichnen nicht mehr alle technischen Fortschritte als Teufelswerk, sondern versuchen die zerstörerischen zu verhindern und die nützlichen gezielt umzusetzen. Wir bezeichnen nicht mehr eine Religion als generell böse, zeigen aber religiösen Missbrauch auf, fördern die Annäherung zwischen religiösen Geboten und menschenrechts-orientierten Werten. Nicht einfach aber notwendig ist.
Vernachlässigte Differenzierung
Was leider fast niemandem bewusst zu sein scheint, dass da noch ein ganz wichtiger Differenzierungs- und Objektivierungs-Prozess nicht einmal begonnen wurde: Die Wirtschaft wird von Legionen von Politikern, Journalisten und Managern als eine Einheit dargestellt, die man als solche loben oder tadeln, entfesseln oder regulieren, bewundern oder verabscheuen kann. Dabei wird nicht oder viel zu wenig darauf hingewiesen, dass es gerade bei der Wirtschaft zu differenzieren gilt. Zwischen EPU, KMU, Freuberuflern, Industrie und Konzernen. Zwischen chancenreichen Startups und hoffnungslosen Schein-Unternehmern. Zwischen innovativen Wachstumsbringern und den mit vergleichbarem Angebot im Preiskampf Ringenden. Zwischen Produkt-Produzenten und Dienstleistern, zwischen Real- und Kapital-Wirtschaft, zwischen Verantwortungsvollen und Rücksichtslosen.
Sträflich hinters Licht geführt
Ja, es gibt sowohl bei den Kleinen als auch den Großen schwarze Schafe. Aber eines ist wohl unbestreitbar: Zu viele der Großen pfeifen aus Gier, Shareholder-Zwängen und Monopol-Bestrebungen auf Fairness und langfristige Verantwortung. Und dennoch werden sie zumeist in einem Atemzug mit den Kleinen genannt. Wenn also Gewerkschaften auf die ausbeuterischen Unternehmer schimpfen, Journalisten bei Wachstumsberichten alle Betriebe in einen Topf werfen und sogar Wirtschaftspolitiker mit dem Slogan „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“ auftreten und sich „eine Entfesselung der Wirtschaft“ wünschen, dann ist das sträflich undifferenziert, unobjektiv und die Menschen hinters Licht führend. Denn viele große Konzerne zahlen bei uns nur 5% Gewinn-Steuern, die anderen Betriebe aber bis zu 50%. Denn die durch fahrlässiges Zocken an „Börsen-Casinos“ von totalem Absturz bedrohten Banken wurden mit Geld der normalen Steuerzahler gerettet. Denn die ganz Großen zahlen ihre Aufwendungen für bürokratische Belastungen aus der „Portokasse“, während das Kleinbetriebe in den Ruin treibt. Denn Investment-Bank-Netzwerke wie Goldman-Sachs und BlackRock saugen mit unfairem Lobbyismus weltweit das Geld von Staaten, Kleinbetrieben und Steuerzahlern in die Kassen der Super-Reichen ab. Viele Konzerne ignorieren Umwelt- und Gesundheitsauflagen, während die anderen Unternehmen für Dauerarbeitsplätze, Nahversorgung, Regionalität und soziale Wärme sorgen.
David Mittelstand gegen Goliath Goldman-Sachs
All die anständigen und fürsorglichen Betriebe – gleich ob groß oder klein – sind Nettozahler des Steuersystems und auch eine Wertegemeinschaft in der Leistung, Eigentum, Nachhaltigkeit und Fairness eine große Rolle spielt. Ich bezeichne sie als Mittelstand, weil sie Herz, Rückgrat und Motor unserer Gesellschaft sind. Sie stehen im ständigen Kampf mit denjenigen, welche sich ungerechtfertigt Wettbewerbsvorteile herausholen. Und sie werden unfassbarer Weise mit diesen in einen Topf geworfen. Damit muss jetzt Schluss sein. Der „David“ Mittelstand muss von den Wählern, Parteien und Verbänden so unterstützt werden, dass er den „Goliath“ Gier-Konzerne mit seinem Flaggschiff Goldman-Sachs schlagen kann.
Dafür muss einiges neu gedacht und gemacht werden: Beginnen wir endlich bei Verwenden des Wortes Wirtschaft zu differenzieren. Beginnen wir einen Prozess der Chancen-Gleichstellung des Mittelstandes zu den anderen Wirtschaftsteilnehmern. Wie wäre es mit einer „Mittelstands-Kammer? Ja, das erfordert Mut. Oder wir schauen zu, wie alles den Bach runter geht.
Mag. Wolfgang Lusak
Unternehmensberater & Lobby Coach
Börsepeople im Podcast S12/13: Carola Bendl-Tschiedel
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